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Worte um Musik: Der Musiktraktat im 20. Jahrhundert (2/4) Der Musikdenker Pierre Boulez

Während der Traktat in der deutschen Sprache eine gelehrte und umfassende Abhandlung, wie diejenige Marpurgs über die Fuge bezeichnet, kommt das französische Pendant des Traité ein wenig leichtfüßiger daher. Es richtet sich auf verschiedene, auch zufällige Objekte, objets trouvés bei Pierre Schaeffer.

Von Martin Zenck

Auch stellt es ein durchaus literarisch, linguistisch und hermeneutisch bestimmtes Format nicht nur philosophischer Provenienz dar, sondern kann – wie in der Musik von Pierre Boulez – eben auch ins Musikalische hinüberspielen wie in den Teilen von „Texte / Glose / Commentaire / Trope / Parenthèse“ der „Dritten Klaviersonate“. Durchaus kann aber das definitorisch Traktathafte auch sehr stringente Züge annehmen, wie in den berühmten „Structures Ia“ für zwei Klaviere, womit sie der strikten Entwicklung auch theoretischer Reflexionen verwandt sind, wie sie Boulez im Musikdenken heute dargelegt hat. Die Sendung geht von einem bislang unveröffentlichten Vortrag mit der Live-Stimme von Boulez am Collège de France aus und durchschreitet dann den Parcours vielfältiger klingend musikalischer wie denkerischer Reflexionsformen, die zwischen Traktat, Essay, labyrinthisch offener Form und Zufall stehen, den es nach Boulez zu „organisieren gilt“.

 

© SWR 2, Jetztmusik, 15.10.2018

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