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„Wenn ich schreibe, sage ich alles“ Annie Ernaux, Édouard Louis, Didier Eribon Frankreichs Schriftsteller mit Soziologenbrille

Wie verändert der soziologisch geschulte Blick das literarische Schreiben? Annie Ernaux, Didier Eribon und der französische Jungstar Édouard Louis schildern die prekären Verhältnisse ihrer Herkunft in einer klaren, selten gesehenen Härte.

Von Christoph Vormweg

Drei französischen Aus- und Aufsteigern gelingt im Literaturbetrieb zur Zeit etwas Bemerkenswertes: Sie geben ihrer Nabelschau eine analytische, gesellschaftliche Dimension. Édouard Louis ist studierter Soziologe und mit 24 Jahren der provokanteste literarische Senkrechtstarter in Frankreich. In seinem zweiten „nicht-fiktionalen“ Roman „Im Herzen der Gewalt“ beschreibt er, wie eine euphorisch begonnene Liebesnacht eskaliert – bis hin zum Mordversuch. Annie Ernaux, Jahrgang 1940, seziert in ihrem erfolgreichsten Buch „Die Jahre“ den eigenen Werdegang als „unpersönliche Autobiographie“: von der Nachkriegszeit bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Und der 1953 geborene Didier Eribon wagt nach seiner Flucht aus dem Arbeitermilieu und seinem Aufstieg zum Soziologie-Professor Jahrzehnte später die „Rückkehr nach Reims“, der Stadt, in der er aufwuchs. Alle drei Autoren legen sehr genau die Mechanismen frei, die ein Leben prägen. Ihre Bücher lassen sich als Kampfansagen wider die „Autofiktion“ lesen, die heute in Frankreich so erfolgreich ist.

Redaktion: Imke Wallefeld; © Produktion: WDR 2017

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