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„verbergen und schützen“ Musik mit und über Masken (2) / Werke von u.a. Zimmermann, Sørensen, Nyman, Parsons

Das Virus Covid-19 hält uns in Schach: gesellschaftlich und privat, physisch und psychisch. Nasen- und Mundbedeckungen, sogenannte Corona-Masken gehören längst zum Alltag in diesen schwierigen Zeiten. Masken sind gelegentlich auch ein Thema in der Musik, nicht nur, wenn es um Karneval oder Kostümbälle geht. Von Stefan Fricke.

Um die Gattung Klaviertrio zu fördern, beauftragt 1960 der Hessische Rundfunk den Komponisten Bernd Alois Zimmermann mit der Kreation eines entsprechenden Werkes. Und dem Literaturkenner Bazi, wie die Kölner einen ihrer Lieblingskomponisten neuer Musik gern nennen, gelingt mit seinem Stück „Présence“, das sowohl konzertant als auch szenisch als Ballett aufführbar ist, etwas sehr Originelles. Geige, Cello und Klavier repräsentieren in diesem Trio drei literarische Figuren: Don Quichotte (von Cervantes), Molly Bloom (von James Joyce) und Ubi Roi (von Alfred Jarry). Zudem soll jeder Instrumentalist sein Gesicht verbergen: mit der Maske der griechisch-römischen Erdgottheit Gaia bzw. Tellus (Cello), mit einem Tapirkopf (Klavier) und der Geiger mit Goldhelm plus Visier. Uraufgeführt wurde das skurrile Werk 1961 bei den Darmstädter Ferienkursen in einer speziellen Hörfunk-Realisation, in der die von Paul Pförtner verfassten Regieanweisungen nicht wie sonst fürs Live-Publikum visualisiert, sondern dank zweier Sprecher zu hören sind. „Corona“, derzeit ein Wort berechtigter Angst, Furcht und Wut, benennt in älteren Zusammenhängen ganz andere Sachverhalte: den Siegeskranz, die Krönung oder – in der Musik – die Fermate, eine mithin weitaus längere Präsentation des Klanges als die eigentlichen Notenzeichen vorschreiben. Also halten, aushalten, sich anders verhalten – das sagt die Fermate, die notierte Corona. Und einige Komponisten haben in ihren zwischen 1962 und 2008 entstandenen Stücken dazu ganz eigene Haltungen eingenommen.


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© HR 2, Konzertsaal, 11.3.2021

Bernd Alois Zimmermann (1918-1970): „Présence“ (1961). Ballet blanc en cinq scènes (mit Texten von Paul Pörtner) für Violine, Violoncello und Klavier
Bernhard Hamann, Violine
Siegfried Palm, Violoncello
Hans Priegnitz, Klavier
Thomas Köhler, Sprecher
Katherina Gerstner, Sprecherin
(Aufnahme der Uraufführung am 8. September 1961, Darmstadt, Mathildenhöhe – im Rahmen der Darmstädter Ferienkurse durch den Hessischen Rundfunk)

Toru Takemitsu (1930-1996): „Corona“ for pianist(s) (1962)
David Tudor, Klavier
Yuji Takahashi, Klavier
(Aufnahme: 24. Oktober 1962, Tokio, Sogetsu Art Center)

Bent Sørensen (* 1958): „The Masque of the red death“ (1989/90) für Klavier
(nach der gleichnamigen Erzählung von Edgar Allan Poe)
Rolf Hind, Klavier
(Aufnahme: 2. März 2011, Potton Hall, Großbritannien, Studioproduktion)

Michael Nyman: „Corona“ aus „Six Celan Songs“ (1990)
Ute Lemper, Gesang
Michael Nyman Band
Dirigent: Michael Nyman
(Aufnahme: 1991, Abbey Road Studios, London)

Vykintas Baltakas (* 1972): „(co)ro(na)“ für Ensemble (2005)
Ensemble Musikfabrik
Dirigent: Etienne Siebens
(Aufnahme: 3. März 2006, WDR Funkhaus am Wallrafplatz, Köln)

David Parsons: „Corona“ (2008). Elektronische Musik
(Aufnahme: 2008, Studioproduktion, Arizona)

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