Musiktipps

„Traum-Musik zwischen Trip und Meditation“ Zum 85. Geburtstag von La Monte Young

Wer das Dream-House betritt und zum ersten Mal erlebt, wie ein Klang mitten in seinem Kopf entsteht, der kann schon mal verstört reagieren und fluchtartig den Raum verlassen. Von Margarete Zander

Alles hatte fast traditionell angefangen. La Monte Young, in Bern, Idaho, geboren, geht nach Kalifornien und studiert Klarinette, Saxophon und Komposition an der Universität von Los Angeles. Er spielt Jazz, hört John Coltrane und Miles Davis und begeistert sich für Erik Satie und Anton Webern. Seine „5 Stücke für Streichquartett“ huldigen der kleinen Form, seine „Sarabande“ kann auf jedem Instrument gespielt werden.

Dann, 1959, fährt La Monte Young zu den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. Was genau dort passiert ist, weiß man nicht. Die Folgen sind unübersehbar. Es ist, als hätte er durch das, was er hörte und sah, und die Begegnungen mit Komponisten und Künstlern die Freiheit entdeckt, alles zu machen. Konzeptkunst wird der radikale Neuanfang.

Komposition 1960 #5: Einen Schmetterling (oder eine beliebige Anzahl von Schmetterlingen) im Aufführungsraum fliegen lassen. Wenn die Komposition zu Ende ist, sicherstellen, dass der Schmetterling nach draußen fliegen kann.

Deutsche Übersetzung der Partitur für „Composition 1960 #5“

Das ist der Kern des Werkes. Diese Partitur befindet sich heute im Museum of Modern Art in New York. La Monte Young hat mit diesem Stück heftige Diskussionen ausgelöst. Darauf angesprochen, dass ja nichts zu hören sei, antwortete La Monte Young, es sei ihm nicht wichtig, dass der Mensch bei dem Stück etwas höre. Er sei sicher, dass bei den Bewegungen der Schmetterlinge Klänge entstünden. Und es würde ausreichen, dass sie für sich selbst existieren.

Die Grenzen des Machbaren geöffnet

La Monte Young entwickelte ein neues Tonsystem aus reinen Intervallen („The Well-Tuned Piano“) und gründete Musikensembles wie das Theater of Eternal Musik Brass Ensemble, mit dem er den Klang beliebig und theoretisch bis ins Unendliche ausweiten kann. Manche Konzerte dauern Stunden, manche mehrere Tage oder mehrere Wochen. Fluxus hatte die Grenzen des Machbaren geöffnet. Und er war mittendrin.

La Monte Youngs „Dream House“ in Traunreut im Chiemgau

Mit Marian Zazeela, einer New Yorker Malerin, Licht-, Performance- und Installationskünstlerin, hat er Museen und Galerien in Traumhäuser verwandelt. Wer sie betritt, nimmt durch Licht-, Farb- und Klangspiele Dinge optisch anders wahr und hört die Musik in seinem Kopf. Manch einer stellt sich so einen Drogentrip vor. In Traunreut im Chiemgau gibt es dauerhaft ein solches „Dream House“, das Pollinger Regenbogenstadl. Im Moment ist es geschlossen, vielleicht wird es im Frühjahr wieder geöffnet. Das „Dream House“ soll den Hörerinnen und Hörern die Möglichkeit geben, ihre Nervensysteme daran zu gewöhnen, mit den Klängen harmonisch mitzuschwingen.

Am 14. Oktober wird La Monte Young 85 Jahre alt. In der „neuen musik“ nehmen wir Sie zu diesem Anlass mit auf eine besondere musikalische Reise.

http://xb4160.xb4.serverdomain.org/Musik/La-Monte-Young-85.mp3

© NDR Kultur, Neue Musik, 13.10.2020

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