Musiktipps

TAZ: Campino „Singen hat etwas Sakrales“

Tote-Hosen-Sänger Campino über sein kompliziertes Verhältnis zu Großbritannien, die Eigendynamik von Gassenhauern und eine positive Nachricht beim Kampf gegen Rechtsradikalismus

Im Interview mit Julian Weber

taz.am wochenende: Campino, im Vorwort von „Hope Street“ erwähnen Sie den Tod Ihrer Mutter Jenny, die über 50 Jahre als Engländerin in Deutschland lebte. 2019 haben Sie die britische Staatsbürgerschaft angenommen. Hat der Brexit keine Rolle gespielt?

Campino: Entscheidender war, dass mir seit dem Tod meiner Mutter eine konkrete Verbindung nach England fehlte. So schrecklich die Brexit-Entscheidung auch ist, sie ändert nichts daran, dass Großbritannien zu Europa gehört. Mein Bekenntnis zu dem Land wird nicht vergehen, egal, was für ein politisches System dort herrscht. Klar, ich bin enttäuscht, vor allem, weil es eine zweite Möglichkeit gegeben hätte, die Sache zu stoppen: Die Wahlentscheidung für Boris Johnson hat den Brexit bestätigt.

„Hope Street“ handelt von der Lebensgeschichte Ihrer Eltern, die sich 1948 als binationales Paar kennengelernt hatten. Es geht um Ihre Kindheitserinnerungen auf der Insel, Punkerlebnisse in London und um Ihre Sympathie für den FC Liverpool. Was bedeutet Ihnen das Land?

Als Jugendlicher konnte ich das nicht in Worte fassen, es war blinde Loyalität. Auch meiner Mutter gegenüber, weil sie England vermisste. Wir Kinder haben gedacht, dass wir uns so englisch wie möglich benehmen müssten, um ihr Heimweh zu lindern. Sie hat alles Englische verherrlicht, das färbte auf uns ab. Ich habe mich in England zu Hause gefühlt, solange meine Großmutter dort gewohnt und meine Mutter gelebt hatte. Das wollte ich durch die britische Staatsangehörigkeit wieder einfangen.

© TAZ, Am Wochenende, Kultur, 14.11.2020

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert