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„Schimpfen im Netz“ Das Schimpfen im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit Von Thomas Kernert

„Schimpfen“? – Was für ein analoger Begriff. Heute „hatet“ man, heute initiiert man einen „Shitstorm“, heute betreibt man „Meinungsmache“. Trotzdem ist der Begriff des „Schimpfens“ wesentlich ergiebiger, weil menschlicher, alltäglicher und somit auch definierbarer.

Wer hätte nicht schon mal irgendjemanden in Grund und Boden geschimpft? Das Schimpfen benötigt, um sich performativ entfalten zu können, lediglich ein Gegenüber, eine face-to-face-Situation. Und schon geht die Post ab!

Was aber passiert, wenn man digital, sprich: im Internet, schimpft? Kann man das überhaupt? Wie sich in den letzten Jahren zeigte, geht das erstaunlich gut. So gut, dass es sich zu einem veritablen Problem auswuchs. In die Gesichtslosigkeit und Anonymität hineingeschimpft, scheint das Schimpfen, scheint die Sprache des Schimpfens, ihre ganze prachtvolle, negative Aura entfalten zu können. Da stellt sich die Frage: Ist daran das Internet, das latente Giftpotenzial der Sprache, ein empörungsbereites Publikum oder aber eine widersprüchliche Hilflosigkeit des Schimpfens schuld? Und warum verletzt das Schimpfen im digitalen Raum die Adressaten trotzdem so viel stärker als eine Meinungsverschiedenheit in der analogen Welt?

 

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