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„Primal Energies“ Von Bill Fontana

1988 fand das Projekt im Rahmen der Ausstellung „Bezugspunkte 38/88“ statt. An acht Bezugspunkten der Grazer Innenstadt, die zur Zeit der nationalsozialistischen Machtergreifung eine Rolle gespielt haben, installierte Fontana Mikrofone, die die Alltagsgeräusche der Stadt einfingen. 

Vom Schlossberg aus wurden die Klänge hinunter in die Stadt geschickt, und zwar gemischt mit Klängen, die Fontana an anderen Orten in der ganzen Welt aufgenommen hatte.

In einem Interview von 2007 blickte der Künstler auf das Projekt zurück. Viele Menschen, so sein Eindruck, scheuten die Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit. Jeden Winkel der Stadt wollte er mit angenehmen Sounds penetrieren, und so den Terror austreiben.

Das Projekt wurde von der Bevölkerung stark angefeindet – entgegen den Erwartungen von Bill Fontana, hatte er doch explizit positive, unschuldige Sounds ausgesucht, z.B. das zärtliche Rufen eines Gibbonpärchens im thailändischen Regenwald, das Singen eines australischen Leierschwanzes, ein Nebelhorn bei der Golden Gate Bridge in San Francisco und so weiter.

Für die Ausstellung „Primal Energies“ entwickelte Fontana speziell für den Space01 des Kunsthauses Graz eine audiovisuelle Installation über die akustische und visuelle Ästhetik erneuerbarer Energien.

Seit den 1960er-Jahren verwendet Fontana Sound als skulpturales Medium. Über 50 Klangskulpturen weltweit und mehr als 20 interkontinentale Radioskulpturen haben ihn international zu einem äußerst gefragten Soundkünstler werden lassen, der sich darauf versteht, aus dem passiven Hören ein aktiv einsetzbares Verständnismedium zu machen. Besonders seine jüngeren Installationen in Paris, London und San Francisco (zum Teil sind diese auch permanent im städtischen Raum installiert) tragen dazu bei, den Eigenklang von Umgebungen und deren historische oder kulturelle Muster physisch zu erfahren und kognitiv zu erforschen.

Seit Beginn seiner künstlerischen Laufbahn hinterfragt der Künstler Umweltfragen durch die Möglichkeit einer ganzheitlichen Wahrnehmung des „Übersehenen“. Mit seiner neuen Installation zu erneuerbaren Energien in Graz bewegt sich Fontana einmal mehr mit den Mitteln neuester Technologien auf dem Feld künstlerischer Forschung und taucht in die akustischen und visuellen Strukturen von Wasser, Wind und Geothermie ein, um sie dem Publikum sinnlich näherzubringen.

Angelehnt an die Ausstellung im Kunsthaus Graz lässt Bill Fontana Klänge seiner ikonischen Klangarbeit „Sonic Projections from Schloßberg Graz“ gemeinsam mit neuen Klängen wieder in den Stadtraum hineinklingen.

http://xb4160.xb4.serverdomain.org/Musik/Primal-Energies-Bill-Fontana.mp3

© Ö1, Radiokunst – Kunstradio, 4.10.2020

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