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Liebe in den Zeiten von Covid-19: Seth Rosner von Pi Recordings im Gespräch mit Wolf Kampmann

Das Label Pi Recordings gehört seit knapp 20 Jahren zu den produktivsten Plattformen der amerikanischen Jazz-Avantgarde. Einst für Henry Threadgill gegründet, ist es längst Heimat für Künstler und Bands wie das Art Ensemble Of Chicago, Muhal Richard Abrams, Liberty Ellman, Steve Lehman, Steve Coleman und Tyshawn Sorey, um nur einige zu nennen.

Mit der Stream-Reihe This Is Now – Love In The Times Of Covid 19 ist Pi Recordings eins der ersten Labels, das aktiv auf die Corona-Pandemie reagiert. Die ersten beiden Veröffentlichungen der Reihe sind Steve Lehmans „Xenakis And The Valedictorian“ und Vijay Iyers und Mike Ladds „InWhatStrumentals – Music From In What Language?“. Über die Intentionen der Online-Serie sprach Wolf Kampmann mit Seth Rosner von Pi Recordings.

Wolf Kampmann: Du hast für das Label Pi Recordings einen Weg gefunden, sehr direkt auf den Lockdown und die Folgen für die Jazz Community zu reagieren.

Seth Rosner: Wir haben hier niemanden, an den wir unsere Klagen richten könnten. Die Politik, speziell die aktuelle Regierung hat nicht viele Sympathien für Jazzmusiker. Um fair zu sein, gibt es einige Organisationen, die neue Programme und Stipendien aufgelegt haben, aber es sind viel zu viele Musiker für so wenig Geld. Die Höhe der Hilfe, die sie kriegen können, ist verschwindend gering im Vergleich zu den Verlusten, die sie erleiden. Es gibt keine Sommer-Festivals. Selbst wenn die Flüge wieder einsetzen, haben doch viele Leute Angst zu fliegen. Wer will schon sechs Stunden auf einem Flug über den Atlantik in zirkulierender Luft sitzen? Die meisten Musiker haben keine Ahnung, wie es für die nächsten zwölf Monate weitergehen wird. Viele Künstler auf unserem Label leben in New York. Die Lebenshaltungskosten sind extrem hoch. Einige von ihnen haben Universitätsjobs. Steve Lehman unterrichtet an der Westküste, auch Vijay Iyer und Tyshawn Sorey haben Professuren und verfügen über ein festes Einkommen. Gemeinsam haben wir darüber nachgedacht, wie wir Menschen helfen können, die wir als Teil unserer Familie erachten und nicht auf diese Möglichkeiten zurückgreifen können. Steve machte den Anfang. Er nahm ganz spontan diese EP auf. 100 Prozent der Einnahmen gehen an Musiker, die den größten Teil ihrer Arbeit verloren haben. Vijay Iyer spendet den Erlös aus seinem Album an farbige Menschen, die von Covid-19 betroffen sind. Es ging einfach darum zu helfen, und das schnell.

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© Jazzthing, 12.5.2020

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