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JungleWorld: „Das Techno-Missverständnis“ Widerspruch auf Nachrufe auf Florian Schneider, die dessen Band Kraftwerk als Patronin des Techno betrachten

Florian Schneider, Mitgründer von Kraftwerk, ist Ende April gestorben. Vielen gilt er als Pionier des Techno. Doch der Avantgarde-Musiker verfolgte gänzlich anders geartete musikalische Konzepte.

Von Uli Krug

Der Nachruf ist gemeinhin die Textgattung, die das, was an Anekdoten und Klischees an Person und Werk eines Prominenten hängengeblieben ist, in besonders konzentrierter Form kolportiert. Nicht anders verhielt es sich mit den Nekrologen, die Florian Schneider-Esleben würdigten, der Ende April 73jährig einem Krebsleiden erlegen war.

Das kolportierte Klischee besagt, dass der klassisch ausgebildete Schneider, der als Musiker auf seinen Nachnamenszusatz verzichtete, zusammen mit dem befreundeten Keyboarder Ralf Hütter Kraftwerk 1970 zunächst als Duo ins Leben rief, um damit die Dominanz des Rock zu brechen und stattdessen die moderne Tanzmusik zu entwickeln. Der in deutschen Medien mehr oder weniger penetrant mitlaufende Subtext lautet, dass Schneider und Kraftwerk die Vorherrschaft angloamerikanischer Musiktraditionen in der populären Musik beendet und eine eigenständig deutsch-kontinentaleuro­päische Spielart etabliert hätten. Entsprechend wurde Schneider als »Genius« gefeiert, ohne den »elektronische Popmusik, HipHop und Techno nicht denkbar wären« (FAZ), als »Vordenker von Techno« (Welt), »Wegbereiter der Techno-Musik« (TZ), »Grundleger des Techno« (FR), »Stichwortgeber der Techno-Kultur« (Süddeutsche Zeitung) und schließlich als »Techno-Gott« (ZDF) bezeichnet….

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© JungleWorld, Dschungel, 20.5.2020

Ein Gedanke zu „JungleWorld: „Das Techno-Missverständnis“ Widerspruch auf Nachrufe auf Florian Schneider, die dessen Band Kraftwerk als Patronin des Techno betrachten

  • Marc Engelhard

    Zu diesem Nachruf:

    Sicherlich sind die Musiker von Kraftwerk die Väter von „Techno“, „Electro Pop“ und sie haben Beats schon vor der Entstehung von „Hip Hop“ produziert, die diesen Stil rhythmisch aufzeigten. Es geht dabei nicht mal nur um die Musik, sondern um das Gesamtkonzept, welches den Bereich des Nerds der Techniker prägte. Sie waren „Techno“ mit jeder Faser ihres künstlerischen Schaffens und darin einmalig. Zudem leben wir in dieser vorgezeigten Welt von „Kraftwerk“, in welcher sich Mensch und Maschine bedingen und immer mehr annähern oder sogar ersetzen. Die Vision ist Wirklichkeit geworden und niemand hat das als Konzeptkarriere (mit den acht dafür vorgesehenen Alben) derart vor Augen geführt und veranschaulicht wie die Herren vom Rhein. Die Gegenwart und die Zukunft gibt ihnen, so wie die Vergangenheit, auch gesellschaftlich, recht. Das ist unvergleichbar mit anderen Künstlern, die nicht selten ihre Grundthemen häufiger wechseln. Lustigerweise tauchen die Düsseldorfer auch bei „Wikipedia“ unter „Heavy Metal“ auf, weil sie 1970/71, quasi im Zuge der Geburt des Stiles, einen beispielhaften Song der Phase, auf ihre Weise, schufen. Die entsprechenden Quellen kann ich dafür bei Bedarf auch hier gerne liefern. Zudem sollte ein Journalist die ernstgemeinten Aussagen von ihren Kollegen zu diesem Fundus und Berg an nachweislichem Einfluss, auch von Tonartisten und Künstlern der verschiedensten Genres und Areale, nicht ignorieren oder unterschätzen. Die Liste ist in ihrer Größe und Dimension schon unüberschaubar geworden und das ist nicht nur ein Klischee, sondern real, wie auch ich als langjähriger Musiker und Journalist weiß und schlicht auditiv und visuell wahrnehme. Vielerlei weitere Aspekte könnte ich dazu noch anführen.

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