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JAZZ IM HAMBACHER FORST ODER WIE DER JAZZ IM WDR 3 GEFÄLLT WIRD

Es ist noch gar nicht so lange her – Ihr erinnert Euch vielleicht – da wurde aus dem Nordwestradio: Bremen 2. Als erstes, warum eigentlich, wurden diese Bäume gefällt: Jazz und die sogenannte Neue Musik, was ja mittlerweile geradezu Tradition hat, wenn es darum geht, das Kulturradio vom Unkraut zu befreien.

In NRW, wo elf Millionen Menschen leben und viele, viele Rundfunkgebühren bezahlen, werden sie jetzt von WDR 3 vor ähnliche Entscheidungen gestellt wie bei Bremen 2. Da gibt es jetzt ab 22.00 Uhr beliebige, unpersönliche Playlists, die niemanden interessieren und vermutlich keinen der schon längst für das Radio verlorenen jungen Leute erreichen werden. Ab 1. April wird uns WDR 3 zeigen, was sie sich dazu ausgedacht haben. Noch darf man gespannt sein, ob die neue besetzte Redakteursstelle mit Tinka Koch einen Neubeginn signalisiert. Aber es sieht eher nach Totalausverkauf aus, wie folgende Meldung zeigt.

Meldung von nrw jazznet

Was muss ich da auf nrw.jazznet lesen? Dass WDR 3 wieder mal eine große Reform plant, diesmal gezielt die Jazzredaktion betreffend. Was fällt jetzt weg? Die Literaturabteilung hatte man ja schon weggeräumt, während die Klassik immer mehr an Terrain eroberte. Nun, die nach der letzten Reform noch verbliebenen Jazzsendungen und ihre Autoren, die eigentlich offenbar 2016 schon gehen sollten, sind zum 31. März in den Vorruhestand verabschiedet. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.

Konkret wird es keine Programme der bisherigen Art mehr geben, bei der die Moderatoren, die als wichtige Filter fungierten, ihre Playlist selbst zusammenstellen konnten. John Peel hätte in diesem neuen Zirkus keine Chance. Dafür tagt jetzt ein Gremium und stimmt ab, welche Geschmacksrichtung beim neuen Joghurt vorherrschen soll. Um vielleicht ein paar hundert WDR 3-Hörer am Abend zu gewinnen, an dem die Hörerbeteiligung eh nicht mehr messbar ist? Das Kind mit dem Bade ausschütten nennt man das. Es sieht nach einem Akt der Verzweiflung bzw. Ratlosigkeit aus angesichts der Radikalität dieser Entscheidung.

Nun soll es also „kuratierte“ Playlists geben. Was soll das? Dafür brauche ich keinen Rundfunk! Wo liegt denn noch der Unterschied der ARD Radiostationen zu den Privaten?

Ich möchte, dass mit meinen Rundfunkgebühren Sender finanziert werden, die sich maßgeblich von Hitradios unterscheiden. Zum Beispiel durch Personen, die durch ihre Musikvermittlung Identifikation schaffen. Dazu zählen für mich Radiomenschen wie Bert Noglik, Karl Lippegaus, Michael Rüsenberg, Thomas Loewner, Christoph Wagner, Harry Lachner, Odilo Clausnitzer. Viele sind Fachjournalisten, einige Autoren von Jazzbüchern und haben unzählige Künstler über Jahrzehnte interviewt, Noglik führte das Jazzfest Berlin zu neuen Wegen, usw.. Bedeutet das nichts (mehr)? WDR 3 offenbar nicht.

Diese Jazzaficionados, aber nicht gecastete „sprechende Köpfe“, sind in der Lage, Entwicklungen in der Jazzszene zu erkennen und an viele Hörer zu vermitteln. Sie betreiben aus lebenslanger Passion das Aufspüren von CD-Produktionen bei Kleinlabels aus Paris oder London – alles was die deutsche Phonoindustrie nicht für würdig hält. Sie sind vernetzt und auf Festivals präsent und damit am Puls der Zeit. Wer berichtet denn noch von der lebendigen und sehr aktiven Jazzszene in Deutschland und Europa? Wer stellt die neuen CD’s vor, die früher der Plattenladen um die Ecke hatte?

Das bei WDR 3 Jazz & World dringend Reformbedarf bestand war schon lange klar – aber bitte nicht als blinder Kahlschlag. Zu den ganzen Fragen, ob der Rundfunk sich abschafft und was seine Zukunft ist, kann ich nur sagen: Ja, wenn es so weitergeht. Playlist-Rundfunk ist nicht mehr notwendig. Der kann durch Spotify und Co. ersetzt werden.

Natürlich ist klar, dass es bei diesen Entscheidungen vorrangig um Geld geht, aber sie sparen am falschen Ende. Und wie tun sie das? Indem sie freie Journalisten durch einen einsamen Moderator am PC ersetzen, der bei Wikipedia surft und ein vorgefertigtes Programm abfeiert.

Dafür möchte und werde ich keine Rundfunkgebühren zahlen.

Wenn schon Rundfunkgebühren, dann möchte ich auch, dass sich der Rundfunk maßgeblich von Werbe gespickten privaten Sendern und Internetangeboten unterscheidet.

Die Reformatoren der Radiosender untergraben mit ihren Entscheidungen die Daseinsberechtigung der öffentlich rechtlichen Sender. Deshalb ist jetzt jede Stimme wichtig, die diese „Neuerungen“ im eigenen Interesse kritisch kommentiert und ein kritisches Feedback abgibt. Jede Stimme zählt.

Eure Stimme für den Jazz auf WDR 3

Link zum Hörerservice

6 Gedanken zu „JAZZ IM HAMBACHER FORST ODER WIE DER JAZZ IM WDR 3 GEFÄLLT WIRD

  • Der Artikel gefällt mir natürlich vom Inhalt her nicht, aber ich wollte signalisieren, dass Du mit dem Beitrag den Nagel auf den Kopf getroffen hast. Formatradio mit Playlists, igitt! Grüße vom Live-Jazzer

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    • portfuzzle

      Deshalb müssen wir uns dazu verhalten und dagegen schreiben. Siehe Link zum Hörerservice. Eine andere Chance haben wir nicht und diese m ü s s e n wir nutzen !

      Antwort
      • Auf eine Antwort vom Hörerservice warte ich bis heute… nur soviel dazu.

        Antwort
        • portfuzzle

          Das mag schon sein. Deutschlandfunk und Co. sind da auch nicht besser. Aber nichts machen geht nicht. Jedenfalls gilt das für mich.

          Antwort
          • Stimmt – vielleicht lesen es immerhin die Redakteure und bekommen neuen Mut… 🙂

  • portfuzzle

    Genau ! Wir sollten nicht die Flinte in’s Korn werfen und a l l e ermutigen die das Rad noch drehen können !

    Antwort

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