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„I LOVE DICK“ Die Autofiktion der Chris Kraus Von Jean-Claude Kuner

1997 schreibt die erfolglose Videokünstlerin Chris Kraus in „I love Dick“ über ihre Liebe zu einem ahnungslosen Kollegen ihres Mannes. Das Buch ist eher Autofiktion als Autobiographie. Zehn Jahre später wird es zum Kultbuch des Feminismus.

Von Jean-Claude Kuner

Der angebetete Dick dient als Projektionsfläche, an der Kraus ihre Ehe abarbeiten kann. Als sie sich ihrem Ehemann offenbart, beschließt das Paar gemeinsam, aus dieser Dreiecks-Konstellation ein Kunst-Projekt zu machen. Sie schreiben Briefe an Dick, die aber nicht abgeschickt werden. Rasch entstehen 200 Seiten Text, in denen Chris Kraus schonungslos und offen ihr Begehren, aber auch ihr Scheitern seziert. Sie entwickelt das Genre der Autofiktion weiter und hebt die Grenzen zwischen Essay, Tagebuch und Fiktion auf. Literarisch findet Chris Kraus nach dem Scheitern als Künstlerin, Ehefrau und verschmähter Geliebten in „I love Dick“ zu ihrer eigenen Stimme. Das Buch wird aber erst 10 Jahre später vom Geheimtipp zum Kultobjekt. Nach seiner Verfilmung 2017 bezeichnet es der Guardian schließlich als „das wichtigste Buch des 20. Jahrhunderts über Männer und Frauen“.

 

 

© WDR 3, Kulturfeature, 30.6.2017

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