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Gewinnerstück des Deutschen Hörspielpreises der ARD 2017: „Broken German“

Das Hörspiel „Broken German“ des jungen israelischen Theater- und Hörspiel-Regisseurs Noam Brusilovsky (Produktion: Südwestrundfunk) ist in Karlsruhe mit dem Deutschen Hörspielpreis der ARD ausgezeichnet worden.

„Broken German“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Tomer Gardi, in dem ein israelischer Mann in gebrochenem Deutsch berichtet: von einer Reise nach Berlin mit fremden Koffern, von Erinnerungen an das von Nazis besetzte Rumänien, vom Kauf eines Messers, von pöbelnden Skins und von einer Leiche in der Besenkammer des Jüdischen Museums. Der Hauptpreis der ARD Hörspieltage ist mit 5.000 Euro dotiert und mit der Ausstrahlung in den Kulturradios der beteiligten Sender verbunden. Für den Deutschen Hörspielpreis der ARD konnten die Landesrundfunkanstalten der ARD, das Deutschlandradio sowie ORF und SRF jeweils ein Hörspiel einreichen.

Die Begründung der Jury:

Wir diskutieren die „Willkommenskultur“ – „Broken German“ antwortet uns mit: „Volkerverständigung“.
Wir gehen an den Callshops vorbei – „Broken German“ kommt heraus und erzählt Geschichten. Geschichten, in denen die Wörter nicht im Duden wurzeln, sondern in Schicksalen von Menschen, die – egal in welcher grammatikalischen Form erzählt, verständlich sind.
Geschichten, die nach ihren schillernden Pointen nicht zuende sind: „Wenn ein Jude ins Jüdische Museum geht, ist er dann ein Teil des Ausstellungs“?
„Broken German“ macht ununterbrochen neue Verständigungsangebote: Bildungsroman, Künstlerparabel, Kunstsatire, Krimi, Verwechslungskomödie, Genderfantasie, Familiengeschichte – und entzieht sich zugleich der festschreibenden Identifizierung.
Broken German lässt sich nicht von zeitgeistigen Diskursen vereinnahmen, sondern vertraut dem Eigenwert des Literarischen; auf die durch die vermeintlichen Fehler geworfenen „babylonischen Schatten“ und auf das „babylonisches Licht“ der „Radiliverständigung“.

Noam Brusilovskys Bearbeitung verstärkt die Romanvorlage Tomer Gardis nicht nur, sondern macht aus ihr ein eigenständiges, so nur im Akustischen mögliches Kunstwerk.

Mit einem hohen Tempo, virtuoser Sprecherführung und einer leichthändigen Erzählweise antwortet der Autor und Regisseur Noam Brusilovsky auf das Verlangen des Textes nach Mündlichkeit. Jener Mündlichkeit, die uns tagtäglich umgibt und die als Reichtum zu begreifen und nicht als Mangel zu beurteilen ist.
Gardi und Brusilovsky formulieren eine Sprache, die eine zwingende Herausforderung für die Gesellschaft wie für das Radiopublikum ist: Mit anderen Worten: „Broken German“ muss man hören.

„Broken German“

Mit: Dor Aloni, Aviva Joel, Tomer Gardi u. a.
Regie: Noam Brusilovsky
(Produktion: SWR 2017)

Tomer Gardi, geboren 1974 im Kibbuz Dan in Galiläa, studierte Literatur und Erziehungswissenschaft in Tel Aviv und Berlin, war Herausgeber der Zeitschrift »Sedek: A Journal on the Ongoing Nakba«, ein Projekt der israelisch-jüdischen Initiative Zochrot, die sich mit der Erinnerung an die Vertreibung der Palästinenser befasst. Sein literarischer Essay »Stein, Papier« erschien 2011 auf Hebräisch und 2013 in deutscher Übersetzung. Im Frühjahr 2016 machte er von sich reden, als er beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt einen Ausschnitt aus »Broken German« las – und die Jury diskutierte, ob ein Text, der in unkorrektem Deutsch verfasst ist, überhaupt zulässig sei.

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