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Faszination Neue Musik: Julius Eastman

Die letzten Jahre seines Lebens vegetierte er als Obdachloser dahin, in einem Park in Manhattan. Als Julius Eastman 1990 starb, nahm die Musikwelt keine Notiz mehr davon. Dabei hatte Eastman in den 1970er Jahren zu den kreativsten Köpfen der amerikanischen Musik gehört. 

Er war von dem einflussreichen Dirigenten Lukas Foss gefördert worden, hatte mit John Cage und Meredith Monk zusammengearbeitet, und auf Fotos auf dieser Zeit sieht man ihn selbstbewusst lächelnd neben Morton Feldman. Julius Eastman war ein Multitalent: ein begabter Pianist, ein begnadeter Sänger und vor allem ein innovativer Komponist, der die klaren Strukturen der minimal music, die Direktheit der Popmusik und die Freiheit der Improvisation zu einem kraftvollen Individualstil verband. Doch als Afroamerikaner und Homosexueller sah er sich in den USA vielfachen Diskriminierungen ausgesetzt, und mit seiner konzessionslosen politischen Haltung (die sich auch in provozierenden Stücktiteln wie „Evil Nigger“ oder „If You’re So Smart, Why Aren’t You Rich?“ ausdrückt) eckte er immer wieder an. Eine große Karriere blieb ihm verwehrt, stattdessen verfiel er Alkohol und Drogen. Erst heute wird er nach und nach wiederentdeckt: die mitreißende Originalität, die wilde Freiheit, die politische Aktualität seiner Musik. Die Pianistin Patricia Martin hat noch als Studentin 1980 mit ihm zusammengearbeitet und führte nun, 2020 inmitten der Corona-Pandemie und zeitgleich zur Black Lives Matter-Bewegung in den USA, Eastmans Musik für vier Klaviere beim Moers Festival wieder auf. Zusammen mit ihrem Pianisten-Kollegen Kai Schumacher führt sie in Eastmans Werk „Gay Guerrilla“ ein und erinnert an einen Unbeugsamen.


http://xb187.xb1.serverdomain.org/radio/musik/Julius-Eastman-Gay-Guerrilla.mp3

Julius Eastman: „Gay Guerrilla“
Von Patricia Martin, Kai Schumacher und Thorsten Preuß

© BR Klassik, Horizonte, 15.12.2020

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