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David Toop im Interview: „Perfektionismus ist unfassbar langweilig“

 Der britische Musiker und Autor David Toop über Geräusche als Lebewesen, den Kampf um Spontaneität unddie Wiederkehr der Improvisation, die bei den Noise Bombers auf der indonesischen Insel Java in infernalischem Lärm kulminiert

 

taz: David Toop, Ihr neues Album heißt „Entities Inertias Faint Beings“ – steckt darin die These, Soundstrukturen könnten lebendige Wesen sein?

Rituelle Musik „Es macht mich traurig, dass viele dieser rituellen Musiktraditionen verschwunden sind, denn sie zeigen andere Weisen auf, Leben und Gesellschaft zu denken“ DAVID TOOP

David Toop: Das Gefühl hege ich schon lange, aber ich hatte nie den Mut, es so deutlich auszudrücken. Ich sehe diese Arbeiten, vielleicht schon die Soundfiles, die ihnen zugrunde liegen, als Lebewesen – wenn man sie zusammensetzt, entsteht ein Ökosystem: Sie koexistieren, vermehren sich, manchmal ­töten sie sich gegenseitig. Manche sind völlig begraben von der Dominanz von anderen dieser Wesen. Wie ist das zu verstehen? Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu verstehen, wie ein Garten funktioniert. Genauso wenig muss man Musiker sein, um meinen Sound zu verstehen. Mein Albumtitel „Faint Beings“ spielt aber schon darauf an, was diese Sounds im Vergleich zu uns Lebewesen sind: Schwach und schwer zu umreißen…. weiter lesen !!!

© TAZ, Steffen Greiner, 12.8.2016

Wichtige Infos zu David Toop:

Der britische Musiker, Kulturjournalist und Wissenschaftler, geboren 1949, war in den späten Sechzigern Teil der Londoner Free-Jazz-Szene. 1975 spielt er das erste Album auf Brian Enos Label Obscure ein, mit Klängen neu erfundener Instrumente – und beschäftigte sich parallel dazu als Forscher und Journalist mit Musiktheorie, Bioakustik und Schamanismus. Als Mitglied der Band Flying Lizards war Toop Teil der Post-Punk-Avantgarde.

Mit den Büchern „Rap Attack” und „Ocean of Sound“ wurde er zu einem der wichtigsten Pop­theoretiker der Gegenwart. Nun legt er den ersten Teil seiner Geschichte der improvisierten Musik vor („Into the Maelstrom: Music, Improvisation and the Dream of Freedom. Before 1970“. Bloomsbury Academic, London 2016, 336 Seiten, ca. £16.99).

Und parallel dazu, allerdings nach langer Pause und vielen Zweifeln an der Sinnhaftigkeit von Alben, erscheint auch ein neues Werk namens („Entities ­Inertias Faint Beings“, Room40/A-Musik), das erste Lebenszeichen seit 2000, aufgenommen in der menschenleeren Einsamkeit des australischen Outback. Es ist zusammengefügt aus Aufnahmen aus dem großen Audioarchiv Toops und birgt Geräusche, Musik, die einen beinahe psychoaktiven Sog entfaltet.

 

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