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Chuck D: „Die USA waren immer schon ein heuchlerisches Land“ Im Interview mit Daniel Schieferdecker

In den Achtzigerjahren haben Public Enemy den Hip-Hop politisiert, nun veröffentlicht die Band ihr 15. Album. Ihr Mastermind Chuck D über Musik, die USA und Donald Trump

Als Public Enemy in den Achtzigerjahren ihre ersten Songs veröffentlichten, bedeutete das eine Politisierung des Hip-Hop und wirkte wie ein Schock: Guerilla-Gestus, revolutionärer Sound, wütende Kampfansagen wie „Fight The Power“ waren die Markenzeichen der Band um Mastermind Chuck D (bürgerlich Carlton Ridenhour). Bis heute gelten Public Enemy darum als eine der einflussreichsten des Genres. Musikalisch halten sie an ihrem Stil fest, das belegt auch das gerade erschienene, mittlerweile 15. Studioalbum „What You Gonna Do When the Grid Goes Down?“. Das Gespräch mit dem 60-jährigen Chuck D fand auf Zoom statt.

ZEIT ONLINE: Wenn Sie an die Anfänge Ihre Karriere zurückdenken, Herr D, hätten Sie sich die Zukunft und das Jahr 2020 ungefähr so vorgestellt?

Chuck D: Nein. Aber das liegt vor allem daran, dass ich immer schon im Hier und Jetzt gelebt habe und generell versuche, so wenige Erwartungen wie möglich zu haben. Ich hätte mir zum Beispiel ganz sicher nicht vorgestellt, dass jemand wie Donald Trump einmal Präsident der Vereinigten Staaten sein würde. Aber das hat auch niemand sonst erwartet. Ich bin in New York City aufgewachsen, in Long Island, und der Typ war immer schon da. Er war ein vergleichsweise harmloser Immobilienmagnat, jemand aus den Klatschspalten, der sich auch schon einmal ein Football-Team kaufen wollte. Aber dass der mal unser Land regieren würde? Das hätte ich niemals jemand für möglich gehalten. Harmlos ist er als Präsident einer Weltmacht jedenfalls längst nicht mehr.

ZEIT ONLINE: Das thematisieren Sie auch auf Ihrem neuem Album in dem Song State Of The Union. Für die Beschreibung des Zustandes der USA benutzen Sie eine Gestapo-Referenz.

Chuck D: Ja, man muss sich vor einem Faschismus fürchten, der in neuen Gewändern daherkommt. Wer die historischen Parallelen nicht sieht, ist entweder blind oder hat in Geschichte nicht aufgepasst. Mit solch expliziten Aussagen versuche ich, die Leute davor zu bewahren, auf Trumps billige Propaganda hereinzufallen und Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

„What You Gonna Do When the Grid Goes Down?“ von Public Enemy ist bei Def Jam/Universal erschienen.

© Zeit Online, Kultur, 6.10.2020

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