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„Bürgerschreck auf Bewährungsprobe“ Frank Wedekind im 21. Jahrhundert

„Eine Männertragödie“ – so nannte Frank Wedekinds Enkel Anatol Regnier die Biografie, die er über seinen berühmten Großvater geschrieben hat. Es ist die Chronik eines bewegten Künstlerlebens, das geprägt war von trotzigem Aufbegehren gegen heuchlerische Moral im wilhelminischen Kaiserreich und von verzweifeltem Ringen um öffentliche Anerkennung.

Von Katinka Strassberger

Frank Wedekinds Sehnsucht, als Dramatiker zu reüssieren, blieb viele Jahre unerfüllt. Seine Bühnenstücke, in denen er die verklemmte Sexualmoral seiner Zeit anprangerte, galten als unverschämt provokativ und unsittlich. Nur wenige Theater wagten es, sie zu inszenieren, denn stets war mit öffentlicher Empörung und Interventionen der Zensurbehörde zu rechnen.

Frank Wedekind sah sich gezwungen, seinen Lebensunterhalt als Werbetexter und schließlich als Satiriker zu bestreiten. Schon bald gehörte er zu den meistpublizierten Autoren des legendären Wochenblatts „Simplicissimus“. Eine bissige Persiflage zur Palästina-Reise von Wilhelm II. brachte ihm 1899 eine Anzeige wegen Majestätsbeleidigung und mehrere Monate Festungshaft ein. Mit der Interpretation eigener Lieder und Texte auf Münchens Kleinkunstbühnen, insbesondere als Mitglied der Kabarett-Gruppe „11 Scharfrichter“, wurde er berühmt.

Erfolg als Dramatiker hatte er aber erst 1906 – durch Max Reinhardts Berliner Inszenierung von „Frühlings Erwachen“. Es ist vor allem dieses Stück – mehr noch als seine „Lulu“ – , das Frank Wedekinds Nachruhm als Theater-Autor bestimmt. Das einst skandalträchtige Drama um die Wirrungen sexueller Selbstbestimmung von Jugendlichen gilt heute als Klassiker, fand Eingang ins Repertoire zahlreicher Theater und sogar in die Lehrpläne von Schulen.

Was die Frage aufwirft: Welchen Erkenntnisgewinn kann uns Frank Wedekinds Gedankenwelt in Zeiten von Youporn und – zumindest offiziell für erreicht erklärter – Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau heute noch liefern?
Eine Sendung zum 100. Todestag von Frank Wedekind am 9. März 2018.

 

Weitere Info’s zur Sendung

© Bayern 2, Bayerisches Feuilleton, 4.3.2018

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