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Altmeister Charles Lloyd: Spiel die Wahrheit! Neue CD „Tone Poem“ mit Gitarrist Bill Frisell

Long life, still here, much seen …“, schreibt Charles Lloyd poetisch versonnen im Begleittext zu seiner Neuheit Tone Poem, die kürzlich auf Blue Note erschien. Seine Worte klingen, als würde sich der Mann aus Memphis, Tennessee, Jahrgang 1938, selbst wundern, welche Fülle an musikalischen und zweifellos auch existenziellen Reisen er letztlich unbeschadet überstanden hat. Von Ljubiša Tošic.

Wer in Lloyds Kunst Folgen eines abenteuerlichen Lebens sucht, findet im samtigen Ton jedenfalls die heitere Gelassenheit eines in sich ruhenden Musikers. Lloyd scheint Frieden geschlossen zu haben. Zwischendurch holt er zwar zu rasanten Verzierungen aus.



Meister des Wesentlichen

Es sind jene „Sheets of sounds“, wilde Fahrten durch Arpeggi und Tonleitern, die einst bei John Coltrane erstmals auftauchten. Es sind bei Lloyd allerdings nur kurze, subtile Erinnerungsschlenker – vielleicht an Dramen und durchlebte Krisen.

Über allem schwebt jedoch der Eindruck, hier improvisiere ein Altmeister des Wesentlichen, einer, der Essenzielles zu sagen hat und deshalb nicht unentwegt reden, nicht exzessiv monologisieren muss. Wenn er zu freejazziger Emphase ansetzt, ist es vor allem eine fröhliche Hommage an den verstorbenen innovativen Kollegen Ornette Coleman (bei Ramblin’).



© Der Standard, Kultur, 26.3.2021

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