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Alles Theater (2/4) „Die neue Stadt und ihr altes Theater“ Wie sich die deutsche Bühnenlandschaft verändert

Die ganze Welt beneide Deutschland um seine Theaterdichte und die Vielfalt der Formen, sagen Kulturpolitiker. Das ist eine gern gebrauchte, aber wenig aussagekräftige Beschwörungsformel. Denn mittlerweile halten krisengeplagte Kommunen Schließungen nicht mehr für ein Sakrileg. Doch auch in den Metropolen kommt man ins Grübeln. Worin genau besteht noch mal „Vielfalt“?

Von Tobi Müller

„Warum ist es so einfach geworden, die Theater anzugreifen? Relevanzverlust. Den wir schon eine ganze Weile beobachten, weswegen sich die Theater in der Defensive befinden. Aus dieser Defensive haben sie mit Formen reagiert, die anstrengend waren für die Mitarbeiter in den Theater. Mit einer ungeheuren Zunahme an Produktionen, die nicht unbedingt besser wurden. Mit ängstlicher Routine, die sich breit machte.“

Barbara Burckhardt, Theaterkritikerin

Denn die Schauspielhäuser hier wie dort arbeiten alle nach dem gleichen Modell: Es gibt Stücke der Saison, ausgearbeitet von Regisseuren und Schauspielern mit identischer Ausbildung und gleicher Muttersprache. Das eine oder andere Flüchtlingsprojekt beruhigt die Politik und Kritik, lenkt aber eigentlich davon ab, dass im Kern alles gleich bleibt. Die Welt außerhalb des Stadttheaters verändert sich schnell und – welch Überraschung – von alleine: bald mehr als die Hälfte der Kinder – das Publikum der Zukunft – sprechen zu Hause kein Deutsch. Und internationale Musiker, Performerinnen und Künstlerinnen ziehen in deutsche Städte. Selbst die besten unter ihnen haben es schwer, in die großen Häuser zu kommen. Es gibt Versuche, die Theater zu öffnen: Matthias Lilienthal probiert es seit zwei Jahren in den Münchner Kammerspielen, Chris Dercon in Berlin ab diesem Herbst. Gleich befürchten Theaterlobby und die Mehrheit der Kritiker den Untergang des Theaters. Kay Voges, Schauspielchef in Dortmund, zeigt aber auch abseits der Theatermetropolen, dass Veränderung möglich ist. Der Essay „Die neue Stadt und ihr altes Theater“ geht den Gründen nach, warum es so schwierig ist, die Bühnen ins neue Jahrhundert zu führen.

„Wir definieren uns hier in Dortmund als ein Theaterlabor für die digitale Moderne. Was bedeutet: Zu erzählen in einer Welt, die mit tausenden Links im Netz erzählt wird.“

Kay Voges, Schauspielleiter am Theater Dortmund

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Zum Autor
Tobi Müller, Kulturjournalist, Moderator, Autor. Aufgewachsen in der Nähe von Olten (Schweiz), lebt und arbeitet seit 2009 in Berlin. Publikationen zu Pop und Theater, Theatertexte sowie Leitung von Gesprächsformaten.

Die neue Stadt und ihr altes Theater

Von Tobi Müller
Mit Caroline Ebner, Heiko Ruprecht, Sebastian Weber
Regie: Martin Zeyn
BR 2016, 58’35

© Bayern 2, Nachtstudio,  25.7.2017

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