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Pop oder was (3/3) „Einmal Jenseits und zurück“ Tod und Wiedergeburt, Zombies und Avatare in der neuesten Popmusik

Plötzlich liefen überall Zombies herum, die Musik wurde immer langsamer und dunkler, in den Videoclips flackerten Bilder des Jenseits und der Metaphysik. Wo kamen all die Geister her, die vor ein paar Jahren plötzlich die Popmusik zu beherrschen begannen?

Von Jens Balzer

„Jeder neue Versuch, die Sphäre des Digitalen zum Medium eines subjektiven Ausdrucks zu machen, erzeugt ihr Anderes: neue Formen des Nicht-Ich, der Entsubjektivierung. Am Anfang sind es Zombies und Geister, am Ende ist der Avatar an ihre Stelle getreten. Und der Mensch, der die Avatare erschafft, ist darüber selber zum Geist geworden. Aber was heißt das? Dass es am Ende eben doch wieder um den Menschen geht. Die Geister – das sind wir selbst. Der letzte nicht verfügbare Rest, der sich der universalen Beherrschung durch die Technik entzieht – das sind die Menschen selbst, ihre Wünsche, ihre Lust, ihr Begehren – und die Kunst, in der sie alldem Ausdruck zu verleihen versuchen. Das ist die Metaphysik 2.0.“

Jens Balzer

Es waren Geister aus dem Internet, sie kamen aus dem digitalen Äther, ihre Musik wurde von Digital Natives gemacht. Gegen das rasende Tempo des Internets und gegen den Exhibitionismus in den sozialen Netzwerken setzte der avancierteste Pop eine Weile lang auf Entschleunigung, Verdunklung, Anonymität – bis eine neue Künstlergeneration aus den Grüften des Gothic-Pop kletterte und die Welt zurückzuerobern begann. Die Pop-Avantgarde der Gegenwart will nicht mehr aus der Welt fliehen, sondern will sich die Welt wiederaneignen – und vor allem: die technischen Mittel, mit denen die Welt heute beherrscht wird. Für sie ist Popmusik ein Medium der Selbsterschaffung, jenseits der Beschränkungen und Grenzen, die uns das Leben im Diesseits setzt. Heute dient darum nicht mehr der Zombie als Leitbild des Pop, sondern der Avatar, in dem man die eigene Identität spiegeln, aber auch neu erfinden kann. Nur manchmal, in stillen Momenten, melden die Geister sich auch in dieser schönen neuen Welt wieder zurück.

„Einmal Jenseits und zurück“ Zombies in der Popmusik

Von Jens Balzer

Mit Bibiana Beglau, Berenike Beschle, Bijan Zamani
Regie: Martin Zeyn
BR 2016, 57’29

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