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„Im Licht früherer Jahre“ Archie Shepp zum 80. Geburtstag Mit Karl Lippegaus

Am 24. Mai jährte sich zum 80. Mal der Tag, an dem Archie Shepp in Fort Lauderdale zur Welt kam. Irgendwann wurde aus dem zornigen Revolutionär der 1960er Jahre hinter dunklen Brillen und gekleidet in einen Dashiki – als Alben wie „Fire Music“ und „The Magic of Ju-Ju“ erschienen – ein kultivierter Gentleman mit Dreiteiler, Krawatte und Hut, der freundlich pfeiferauchend Auskünfte über afro-amerikanische Kultur gab. Doch innerlich mag sich Archie Shepp oft gefragt haben, wann und wieso aus der rebellischen Musik seines Volkes eine Konzertmusik für die weiße Mittelklasse wurde.

Mit Karl Lippegaus

‚Inner Cities‘ und Zappa

John Coltrane hatte sich anfangs sehr für den jungen Shepp eingesetzt und ihm zu einer Plattenkarriere beim Impulse!-Label verholfen. Mit Feuereifer hatte Shepp auf Coltranes „Ascension“ in sein Tenorsaxofon geblasen, bei Festivals Malcolm X gehuldigt, in Donaueschingen die Bourgeoisie verschreckt und – was den Kritikern Probleme machte – in seinen Free Jazz viel Erinnertes und aktuelle Sounds gemischt, anknüpfend an die Bluessongs des Vaters, die Spirituals der Baptistenkirchen und den 1960er Funk-Sound der ‚inner cities‘.

Parallel dazu schrieb er einige Theaterstücke, jammte mit Frank Zappa und unterrichtete dreißig Jahre lang an Universitäten. Die Suite „Attica Blues“ zur Erinnerung an große US-Gefängnisrevolten überarbeitete er über Jahre und nahm sie mehrmals auf. Zu den Highlights seiner belangreichen Diskographie zählt „Goin‘ Home“ (1977) – beseelte Dialoge mit dem kürzlich verstorbenen Pianisten Horace Parlan.


© NDRInfo, Jazz Special, 26.5.2017

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