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Feature: Sofortness und Nähe oder: die kürzeste Geschichte der Zeit

Promptes Erfüllen als Norm: Genau zehn Jahre ist es her, dass das Kunstwort „Sofortness“ kreiert wurde. Es fand begierige Aufnahme, benannte es doch den immer akuter empfundenen Prozess der Beschleunigung mit einem schillernden Kunstwort. Hauptakteure dieser Beschleunigung waren und sind das Smartphone und seine User (also wir alle), die immer schnellere Interaktion mit Kontakten, Informationen und Waren führen.

Von Thomas Kernert / Martin Zeyn

Wobei sofort keine Metapher ist: Angeblich verlöre der Internethändler Amazon im Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag, verzögerte sich der Aufbau seiner Internetseite auch nur um eine einzige mickrige Sekunde.
Was passiert, wenn sich Abläufe beschleunigen, kennen wir spätestens seit der Industriellen Revolution: immer wieder entdeckte man die Sünde der Ungeduld und geißelte sie mit viel moralischem und intellektuellem Pathos. Wie eine Hostie wird ihr heute der Begriff der „Entschleunigung“ entgegengehalten, welche allein uns angeblich aus dem Hamsterrad der Sofortness befreien könnte. Thomas Kernerts provokante Frage: Wollen wir, die smarten Handybesitzer und -bediener, dies überhaupt? Sicherlich, niemand mag Hektik und Stress. Und dennoch fasziniert uns die Sofortness womöglich mehr als wir zuzugeben bereit sind, weil sie Dialog ist, schneller Dialog – und in diesem schnellen Dialog etwas entsteht, das sich wie Nähe anfühlt.

© Bayern 2, Nachtstudio, 23.1.2018

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